Wissenswert
Die Sprache der Buchdrucker von einst
Eine Fachsprache wird von den sprachlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Fachleute und Handwerker einer bestimmten Branche bzw. Zunft bestimmt. Hier findet sich auch die Sprache der Buchdrucker, Setzer u. Schriftgießer, die zum Teil durch humorige Ausdrücke und Fremdwörter gekennzeichnet ist. Der Alltag der Drucker hat auch ihre Sprache geprägt. So wurden oft Begriffe oft personifiziert und damit anschaulich zum Ausdruck gebracht, was welche Tücken das Handwerk (die Kunst) mit sich bringt oder wie die Arbeit eines Kollegen bewertet wird. Ein „Hudler“ ist ein ungeschickter, schlampiger Arbeiter. Auch ein „Pachulke“ hat zwei linken Hände und wenig Gespür für Gestaltung. Oft „verfischen“ sich Setzer.
Was es mit diesen Begriffen auf sich hat, lesen Sie im folgenden Auszug aus dem „Wörterbuch der Drucker- und Setzersprache“, von Juliane Relic. (1)
Auge: Die erhabene Bildfläche eines Buchstabens oder das vertiefte Zeichenbild einer Mater, von welcher der Schriftguss erfolgt.
Augenpulver: Bezeichnung für eine besonders klein oder eng gesetzte und damit schwer lesbare Schrift.
Bleiläuse: Eine fiktive Tierart, um einen typischen Buchdrucker-Scherz mit den Setzerlehrlingen zu treiben.
Bleiwüste: Fehler durch die Verwendung unpassender, zu enger Zeilenabstände oder die fehlende Strukturierung eines Textes durch nicht vorhandene Absätze. Umgangssprachlich kritische Bezeichnung für ein schwer lesbares Dokument. Ein Beispiel ist eine textschwere Zeitungsseite ohne jegliche Auflockerung durch Bilder oder Illustrationen.
Blindfisch oder Zwiebelfisch: Nennen Schriftsetzer und Buchdrucker einzelne Buchstaben innerhalb eines Textes aus einer anderen Schrift.
Brotschrift: Kein bestimmter Font (Schriftart). Sie ist vielmehr im klassischen Sinne die vorherrschende Schrift, aus der der größte Teil eines Textes gesetzt wurde. Mit der Brotschrift verdienten sich die Setzer ihr alltägliches Brot.
Cornut: (Gehörnter) Ausgelernter Lehrling, der jedoch erst noch die Zeremonie des Deponierens und Postulierens über sich ergehen lassen musste, bevor er als vollwertiger Geselle galt. So bezeichnet nach dem Hut mit Hörnern oder Schellen, den er bei der Aufnahme in den Gesellenstand trug.
Eierkuchen: Scherzhafte Bezeichnung für einen auseinandergefallenen Satz.
Elefantenrüssel: Barock geschwungene Anfangsstriche der Fraktur-Versalien.
Famosschriften: Schand- und Spottschriften (Pamphlete) des 15. und 16. Jahrhunderts, meistens Einblattdrucke, Flugblätter.
Fisch: Ein im falschen Fach des Setzkastens liegender Druckbuchstabe.
Fischhaufen: Eine Ansammlung von Zwiebelfischen.
Fliegenkopf: Falsches Zeichen im Text, meist kopfstehend. Eine im Satz auf dem Kopf stehende Drucktype, deren Fuß in Form eines Doppelstrichs oder schwarzen Flecks auf dem Papier abgedruckt ist. Gibt beim Korrekturabzug an, dass an dieser Stelle eine Korrektur anzubringen ist. Fliegenköpfe werden auch dergestalt verwendet, dass der Setzer häufig vorkommende Buchstaben wie e oder s, die ihm ausgegangen sind, durch auf den Kopf gestellte andere Buchstaben gleicher Dicke markiert.
Fraktur: Sammelbegriff für gebrochene Schriften. Sie war von Mitte des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum. Die sogenannte »deutsche Schrift«, deren eckige, gebrochene Formen im Gegensatz zu den runden Formen der Antiqua-Schriften stehen. Ihren Namen (lateinisch für »Bruch«) trägt die Schrift nach den gebrochenen Linienzügen, in denen sie ursprünglich mit der Hand geschrieben wurde. Als Vorläufer der Fraktur gelten die gotische Schriftform, in der Johannes Gutenberg seine 42-zeilige Bibel von 1455 setzte, und die seit etwa 1570 verwendete Schwabacher Schrift, in der auch die ersten Luther-Bibeln gedruckt wurden.
Gewissgeld: Früher bei den Setzern und Druckern des feste Gehalt eines Gehilfen.
Grab: Wenn fehlende Zeichen, sogenannte Leichen, eingefügt werden müssen, kann die betroffene Zeile zu lang werden. Ein Grab schaufeln bedeutet, mit typographischen Tricks zusätzlichen Platz zu schaffen. Sonst müsste der Rest des Absatzes neu umbrochen werden.
Haarspatien: Frühere Bezeichnung für die im Handsatz zum Ausschließen, Sperren (Spationieren) und Ausgleichen von Versalien verwendeten dünnsten Ausschlusstücke.
Hochzeit: Satzfehler, bei dem zwei gleiche Worte hintereinander erscheinen. Dies konnte auch mit kompletten Absätzen bzw. ganzen Textpassagen passieren, die dann doppelt gedruckt erschienen.
Hudler: (auch Sudler) Ungelernter Drucker.
Hurenkind: Die letzte Zeile eines Absatzes, wenn sie gleichzeitig die erste einer neuen Spalte oder Seite ist. Gilt als besonders schwerer handwerklicher Fehler, da es die Ästhetik des Satz- bzw. Seitenspiegels stark beeinträchtigt.
Jungfrau: So bezeichneten die Setzer ursprünglich eine fehlerlos gesetzte Seite, eine fertig gesetzte Seite wird also mit diesem Attribut als fehlerfrei gekennzeichnet, was sie im Normalfall eigentlich nicht sein kann. Daher beschäftigten viele Verlage und Druckereien Korrektoren, die die Seiten auf Rechtschreibung, Grammatik und Typografie lasen. Eine Seite, die komplett ohne Korrekturzeichen blieb, wurde von den Setzern auch als „jungfräulich“ bezeichnet, was in der Realität aber so gut wie nie stattfand.
Kelle: Scherzhafte Bezeichnung des Winkelhakens.
Krätzen: Krätzen nannte man die Rückgewinnung des Bleis aus ausgedruckten Bleisatz-Gusszeilen. Aufgrund der entstehenden giftigen Dämpfe musste das Einschmelzen des Bleis in geschlossenen Räumen mit Absauganlagen durchgeführt werden. Die Räume nannte man auch „Krätze“.
Kunst haben: Ein von den Setzern gebrauchter Ausdruck für Arbeit haben. Diese Bezeichnung geht auf den Umstand zurück, dass die Arbeit des Buchdruckers von alters her ebenso als Handwerk wie auch als Kunst verstanden wurde.
Läusedarm: Scherzhafte Bezeichnung für einen nicht registerhaltigen Satz.
Leiche: Ein fehlender Buchstabe oder ein fehlendes Wort im gedruckten Text. Das Korrigieren des Fehlers begräbt die Leiche.
Leintücher: Besonders große Zeitungsformate wurden im 19. Jahrhundert scherzhaft Leintücher genannt.
Männchensatz: Im Bleisatz gebrauchter Begriff für den exakten Nachsatz (Neusatz) eines Werkes. Bleisatzlettern und -zeilen hielten aufgrund der mechanischen Beanspruchung nur eine bestimmte Auflagenhöhe. Bei Nachdrucken mussten Werke oft neu gesetzt werden. Wenn der Satz genau wie die Vorgängerversion sein musste (gleicher Zeilenfall, gleicher Ausschuss etc.) sprach man von Männchensatz.
Mönch: Blasse, unvollständig bedruckte Stelle auf einem Druckbogen.
Mönche schlagen: Mit der Walze oder dem Ballen die Farbe so unregelmäßig auftragen, dass dadurch Schriftstellen keine Farbe erhalten und der Abzug blass und unleserlich erscheint.
Offizin: Früher übliche Bezeichnung für eine Buchdruckerei.
Pachulke: Scherzhafte Bezeichnung für einen ungeschickten Setzer mit zwei linken Händen und wenig Gespür für Gestaltung.
Quetsche: Geringschätzige Bezeichnung für eine kleine Druckerei.
Sacktag: An ihm wurde das Arbeitsverhältnis nach der Lehrzeit gelöst oder verlängert.
Schmorkohl: Ein besonders einfacher anspruchsloser Auftrag.
Schnellhase: Scherzhafte Bezeichnung für einen Handsetzer, der besonders hohe Leistungen bei der Herstellung von glattem Satz vollbringt.
Schusterjunge: Ist im Buchdruck die erste Zeile eines Absatzes, die als letzte Zeile auf einer Seite oder in einer Spalte steht
Speck: Scherzhafte Bezeichnung der Setzer für die leeren Räume in der Satzform, die statt mit Lettern mit größeren Satzstücken ausgefüllt werden, so z.B. die leeren Rückseiten des Titelblattes, des Widmungsblattes u.ä., die offenen Seiten in Kapitelanfängen etc. Diese Räume wurden dem Setzer wie eine normale Satzarbeit bezahlt. Zum Speck der Druckerei selbst gehören auch stehende Satzteile wie z.B. Formulare u.ä.
Speckjäger: Ein Setzer, der sich ein leichtes Leben machen will, indem er auf vorteilhafte Satzarbeit, d.h. Speck aus ist. t.
Spieß: Die Setzer arbeiteten im Bleisatz auch mit Blindmaterial, also kleinen schmalen Bleistücken, mit denen zum Beispiel die Zwischenräume zwischen den Zeilen hergestellt wurden, diese hießen dann Regletten. Dieses Blindmaterial konnte im Druckprozess aber auch so weit nach oben rutschen, dass es mit gedruckt wurde. Das Resultat war im Schriftbild des Blattes zu sehen: Ein sogenannter Spieß.
Verfischen: Gelegentlich passiert es dem Setzer, dass er beim Ablegen von Handsatz die Lettern versehentlich in den falschen Schriftkasten zurücklegt.
Waisenkind, Hurenkind: Typografischer Ausdruck für einen fehlerhaften Umbruch, wenn die letzte Zeile eines Absatzes als erste Zeile auf einer Seite oder Spalte steht, also verwaist ist.
Witwe: Scherzhafte Bezeichnung für eine Ausgangszeile mit nur einem kurzen Wort.
Zwiebelfisch: Ein einzelner Buchstabe, der in einer anderen Schriftart als der restliche Text gesetzt wurde. Entstand durch falsches Ablegen der Lettern im Setzkasten. Im digitalen Satz ausgestorben.
Zwiebelfische: Scherzhafte Bezeichnung für durcheinanderliegende, ungeordnete Drucktypen aus mehreren Schriften oder Schriftgraden.
- Juliane Relic, Seminararbeit 2017, TU Dresden; Institut für Germanistik